Danke, Hongkong! (Filme auf Ecstasy)

Es war einmal... eine kleine Stadt kurz vor China, die sich die Engländer mal eben für 155 Jahre ausgeliehen hatten. Am 1. Juli 1997 sollte sie zurückgegeben werden. Am Anfang dachte keiner drüber nach, wie das mal alles enden könnte. Aber irgendwann fingen die Leute in der Stadt an, nervös zu werden. Und was taten sie? Machten Tag und Nacht Geschäfte und scheffelten Kohle wie blöd. Am schlimmsten waren die Filmemacher. Die drehten, bis ihnen die Filme aus den Ohren rauskamen.

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In Europa sehen sich solche Filme nur Zuhälter und Fitneßstudioproleten an. Und ein paar durchgeknallte Freaks. Einige von denen sind so durchgeknallt, daß sie ihre Leidenschaft auch noch im Internet abfeiern. Ekelerregend? Degoutant? Nein. Sehr unterhaltsam!

Man sollte am besten mit der kurzen Einführung auf den Seiten der amerikanischen TV-Zeitung TV-Guide anfangen. Unter dieser beeindruckend langen Adresse gibts Fotos und Kritiken zu ein paar Filmen, Schauspielern und Regisseuren.


frau yeoh

Zum Beispiel:

Tsui Hark


Tsui Hark arbeitet immer an drei Filmen gleichzeitig: Einen schneidet er, einen dreht er, einen bereitet er vor. Er schläft im Durchschnitt drei bis vier Stunden pro Nacht, meistens auf irgendeiner Couch im Studio. Wenn Rainer Werner Faßbinder noch leben würde, wäre er bestimmt schon mal zu Tsui Hark (sprich: Choi Hack, oder so ähnlich) gereist, um sich noch ein paar Tricks abzuschauen, wie man ein richtig anständiger Workaholic wird. Tsui Hark hat eine Filmographie, die so lang ist wie die Liste der Meiers im Hamburger Telefonbuch.

Dabei ist Tsui Hark grade mal Mitte Vierzig und in Hongkong keine Ausnahme. Oder war allgemein bekannt, daß Sally Yeh 1984 in fünf Filmen spielte? Woher ich das weiß? Nun, aus der definitiven Page über Hongkongfilme, die Hong Kong Movies Picture Library. Woher Timo Kokkonen aus Finnland die Zeit nimmt, die man für den Aufbau und die Erhaltung einer solcher Seite braucht, weiß ich nicht. Auf jeden Fall findet man dort nicht nur hunderte Fotos, sondern auch Filmposter und Filmographien/Biographien.

John Woo und Christian Slater

John Woo und Christian Slater

Chow-Yun-Fat A Better Tomorrow III


Auch Actionkönig John Woo ist dort vertreten. Seit er vor ein paar Jahren nach Hollywood wechselte und mittelprächtige Filme wie Broken Arrow drehte, ist er der bekannteste Export Hongkongs. Dabei hat er in seiner Heimat einen Haufen Gangsterfilme gedreht, die selbst gestandene Actionfans beeindrucken. Knappe, aber nicht unwichtige Plots liefern die Basis für Ballerorgien, die alles in den Schatten stellen, was ich je gesehen habe.

Vor zehn Jahren fand Woo in Chow-Yun-Fat den kongenialen Hauptdarsteller für seine films rouges, brutale wie perfekt choreografierte Geschichten über Ehre und Tod. Der pausbäckige Chow-Yun-Fat verkörpert dabei toughe Gangster genauso wie abgebrühte Polizisten. Für beide ist ihr Job eine Frage der Ehre, was regelmäßig zu extravaganten Shootouts und blutigen Showdowns führt. Mit A Better Tomorrow wurden er und John Woo 1987 zu Stars. In Hard-Boiled geht die Zahl der Toten in die Hunderte. Es wird behauptet, die Triaden Hongkongs hätten einige dieser Filme finanziert.


Wong Kar-Wei hat dagegen das Glück, in einer sehr trendigen Nische in Deutschland vermarktet zu werden. Chungking Express ist nur ein wenig mehr stylisch, ein klein wenig ungewöhnlicher in der Form und schlichtweg mehr dem europäischen Kino verpflichtet. Auf den Spuren von Godard wandelt der Polizist, der aus Liebeskummer Mandarinendosen mit dem Verfallsdatum 1.April sucht. Doch das, was Chungking Express hier bekannt gemacht hat, ist im strengen Sinne schon verwässertes Hongkong-Kino. Was ihn mit dem übrigen Hongkong-Kino verbindet, ist die Feststellung, daß auch Godard für gute Unterhaltung sorgen kann.

Chungking Express
Jackie Chan

Auf der anderen Seite der Skala steht Jackie Chan, der das Erbe der klassischen Kung-Fu-Filme angetreten hat. In Amerika und in Asien hat er es am weitesten gebracht. Leider kann ich mit seiner Art von Humor wenig anfangen.

Action-HeldinPeking Opera Blues

Sprechen wir lieber über Hongkongs Action-Heldinnen. Es gibt in Hongkong angenehm viele Action-Heldinnen, habe ich mir sagen lassen. Leider kommen ihre Filme bisher viel seltener nach Europa als die Filme ihrer männlichen Kollegen. Mein persönlicher Favourite ist Peking Opera Blues von Tsui Hark. Handlung: Drei Frauen werden 1911 in Shanghai in Revolutionswirren verwickelt. Der Film erinnert manchmal ein wenig an Indiana Jones, läßt aber streckenweise Harrison Ford lahm aussehen - und ist einer der fünf Filme von 1984, in denen Sally Yeh auftritt.

Das ist aber längst nicht alles, was Hongkong zu bieten hat: Cynthia Kwan zum Beispiel. Oder Brigitte Lin (früher Lin Ching Hsia). Oder Amy Yip, Hongkongs Busenstar, die beweist, daß es nicht nur Silkonblondinen gibt.

Silikonbrünette Schmuddelfilm
Hieroglyphen

Und wer jetzt enttäuscht ist, weil er bisher noch keine Hieroglyphen in Kantonesisch oder Mandarin gesehen hat, schaut unter der Hong Kong Cinema-Seite nach. Oder beim Mailorder-Service The Place, da gibts auch ein paar daumengroße Bildchen von Schmuddelfilmen. Oder unter den Links, die auf zahllose weitere Seiten verweisen, z.B. auf Diese. Und wer wissen will, wie's weitergeht, der wartet auf den 1. Juli 1997. Wenn dann die Filmemacher noch da sind, machen sie vielleicht auch nächstes Jahr noch Filme auf Ecstasy.


Hieroglyphen

Hamburg, 08.04.97

Hartmut Pospiech

Beam mich zur Homepage, Scotty!